Die Verhandlungen über die künftige Regulierung der großen digitalen Plattformen gehen in den Endspurt. Alle assoziierten und beratenden Ausschüsse im Europäischen Parlament haben nun abgestimmt. Der federführende Binnenmarkt- und Verbraucherschutzausschuss (IMCO) arbeitet an Kompromisslinien für die Abstimmung, die für den Digital Services Act (DSA) und den Digital Markets Act vom 8. November 2021 auf den 9. Dezember 2021 verschoben wurde. Die Plenumsabstimmung verschiebt sich so in den Januar 2022.
Auch die Ratspräsidentschaft sucht Hände ringend nach Kompromisslinien und will am 25. November 2021 eine Einigung erzielen.
Digital Services Act – DSA
Der DSA reguliert, wie Rechtsverletzungen im digitalen Raum abgestellt werden können. Der SPIO sind fünf Aspekte besonders wichtig:
Keine neuen oder zusätzlichen Haftungsprivilegien
Der DSA muss sicherstellen, dass illegale Inhalte jeder Art bestmöglich und umgehend entfernt werden. Neue Haftungsprivilegien beispielsweise durch eine Erweiterung des Anwendungsbereichs auf Cloud-Dienste oder Suchmaschinen sind kontraproduktiv. Provider, die illegale Inhalte fördern, optimieren oder vermarkten, handeln nicht neutral. Sie müssen daher in die Verantwortung genommen werden und Sorgfaltspflichten einhalten. Eine erweiterte “Good-Samaritan”-Klausel könnte dies konterkarieren.
Unsere Anliegen wurden in den Stellungnahmen des Kulturausschusses (sehr weitgehend), des Rechts- und Industrieausschusses (hier nur punktuell) aufgenommen. Hier gilt, es die positive Änderungen beim Bericht des federführenden Binnenmarktausschusses fest zu verankern.
Verbesserung beim Vorgehen gegen illegale Inhalte
Filme werden unter hohem wirtschaftlichem Risiko und Aufwand finanziert, hergestellt und verwertet. Illegale Inhalte schaden der gesamten Verwertungskette: Filmproduzenten, Verleihern, Kinos, TV-Sendern, DVD-Anbietern und Streamern. Dadurch fehlen relevante Mittel, um in neue Filme zu investieren – zu Lasten auch der kulturellen Vielfalt in Europa.
Es muss daher sichergestellt werden, dass illegale Inhalte aller Art zügig entfernt werden (72 Stunden oder 7 Tage sind hierfür zu lange – teils in EVP-ÄA), dieselben oder ähnliche Inhalte nicht sofort wieder verfügbar sind (Stay-Down) und Missbrauch verhindert wird. Trusted-Flagger sollen zügiger illegale Inhalte entfernen lassen können. Daher ist es wichtig, dass auch einzelne Rechteinhaber, wie Filmproduzenten, Trusted Flagger sein können und das Verfahren ohne übermäßig bürokratische Auflagen aufgesetzt wird. Schließlich ist ein Monitoring bestimmter Inhalte auch über automatisierte Verfahren unabdingbar. Hier haben die Ausschüsse sehr unterschiedlich abgestimmt. Der federführende Binnenmarktausschuss scheint eine für uns tragfähige Kompromisslinie (1 Stunde für Live-Sport und im Übrigen unverzügliches Tätigwerden) gefunden zu haben.
Transparenz – Know Your Business Customer für alle Provider
Plattformen sollen die Kontaktadresse von ihren Geschäftskunden kennen, damit diese im Fall von Rechtsverletzungen (Urheberrecht, Verbraucherschutzrecht, …) kontaktiert und Rechtsverletzungen abgestellt werden können. Transparenzpflichten sollten nicht nur für Marktplätze wie Amazon oder Ebay, sondern umfassend für alle Arten von Providern gelten. Denn über Infrastrukturdienste, Hostprovider, Content Delivery Dienste, wie z.B. Cloud-Infrastrukturen, durch die Webinhalte für Nutzer effizient bereitgestellt werden, Werbung und Bezahldienste werden teils große Mengen illegaler Inhalte verfügbar gemacht. Die Verpflichtung, ihre Geschäftskunden zu kennen, ist keine übermäßige Belastung für Provider. Ihr steht dabei ein erheblicher Nutzen bei der zügigen Beendigung von Rechtsverletzungen gegenüber – mit einer enorm positiven Wirkung für alle rechtstreuen Akteure.
Diese Forderung wird von einer breiten Allianz u.a. mit der Pharmaindustrie, Markenverbänden, Patentrechteinhabern und Medienverbänden gemeinsam adressiert (Home – KYBC – Know your business customer). Um den Anwendungsbereich für diese Vorgaben zu erweitern, bündeln wir derzeit noch mal alle Kräfte – national wie auf EU-Ebene.
Ausnahmen für Microunternehmen nur bei rein administrativen Pflichten
Was offline illegal ist, muss auch online illegal sein. Dieses Grundprinzip des DSA muss für alle Unternehmen unabhängig von ihrer Größe gelten. Wir können keinen Grund erkennen, weshalb KMU einer bestimmten Branche ihrer Pflicht zur Rechtstreue entbunden werden sollten, um unter Schädigung von Rechteinhabern – die oftmals selbst KMU sind – zu skalieren.
Diese Bedenken greifen ebenfalls einige Ausschüsse auf, indem sie die Ausnahme nur auf administrative Verpflichtungen beschränken.
Sehr große Plattformen (VLOPs): Keine Entfernung von legalen Inhalten auf Basis von AGBs
Sehr große Plattformen haben sich über ihre Community-Standards / AGBs eigene Regeln geschaffen. Im Medienrecht und Jugendschutzrecht sollten die gesetzlichen Vorgaben den Maßstab bilden. Ein von der Freiwilligen Selbstkontrolle Kino (FSK) frei gegebener Film oder Trailer darf daher nicht entfernt werden, weil die AGBs beispielsweise nackte Haut oder bestimmte Worte in Filmtiteln verbieten. So wurde das Filmplakat des Filmes Parallel Mothers von Almodovar von Instagram entfernt (Link). Dieses Thema hat der Kulturausschuss besonders weitgehend geregelt. Die übrigen Ausschüsse schränken ein Vorgehen der Plattformen gegen legale (europäische) Rundfunk- oder Presseinhalte nur bei besonders großen Plattformen ein, was aus unserer Sicht ebenso zielführend ist.
Digital Markets Act – DMA
Wir setzen uns beim Digital Markets Act dafür ein, die Unwucht zwischen großen Plattformen auf der einen Seite und den Unternehmen der Filmwirtschaft auf der anderen Seite zu beseitigen oder zumindest abzumildern. Wichtige Bausteine hierfür sind die Transparenz über die Nutzung filmischer Werke, d.h. der Zugang zu diesen Daten und auch Informationen wie Filme beworben werden sowie Informationen zum Ranking und das Thema Nicht-Diskriminierung. Filmproduzenten wissen häufig nicht, wie ihre Filme bei den Streaminganbietern genutzt werden.
Der ursprüngliche Kommissionsvorschlag beschränkt die Verpflichtungen des DMA auf Vermittlerdienste, also Dienste mit 3-seitigen Vertragsverhältnissen. Einige Abgeordnete haben Änderungsanträge eingebracht, die den Anwendungsbereich des DMA auf Streaminganbieter oder Video-On-Demand-Anbieter erweitern. Da dies nicht mehrheitsfähig ist, setzen wir uns dafür ein, dass zumindest die Zusatzdienste der Gatekeeper in den Anwendungsbereich fallen. Denn um negative Auswirkungen der Macht von Gatekeepern für die Filmwirtschaft abzumildern, sollen die Zusatzdienste der Gatekeeper in den Anwendungsbereich aufgenommen werden. Dabei sollten nicht nur Dienste, die zur unmittelbaren Durchführung der zentralen Plattformdienste notwendig sind wie beispielsweise Bezahldienste, sondern auch weitere Angebote der Gatekeeper erfasst werden.